1) Bonsai für Europäer?

    Kein Zweifel: Das japanische »Bäumchen im Topf«, der Bonsai, fand in den letzten 30 Jahren in Europa unzählige begeisterte Freunde. Viele Menschen suchen hier nach einem Ausweg aus der Einbahnstraße des Konsums und richten dabei ihren Blick verstärkt auf Möglichkeiten, die ihnen ein neues Verhältnis zur Natur erschließen könnten. 

    Ursprünglich in China zu Hause, wurde Bonsai jahrhundertelang vom japanischen Adel zur Kunst entwickelt. Nach seinem Einzug in die Vereinigten Staaten, wo viele naturalisierte Japaner leben, und in England, fand es auch auf dem europäischen Festland mehr und mehr Anhänger. Diese fesselnde Freizeitbeschäftigung hat sich, wie kaum ein anderes Kulturelement aus Übersee, in unsere westliche Zivilisation eingegliedert. 

    Bäumchen im Topf heranzuziehen, betrachte ich als einen Entwicklungsprozess, der einer jahrelangen Lehrzeit gleichkommt. Ich möchte Ihnen den praktischen Einstieg erleichtern und damit helfen, Misserfolge zu vermeiden. Den Blick für das Wesentliche muss sich der Bonsaifreund durch geduldiges Üben erarbeiten. Die eigentliche Bonsai-Kunst aber lässt sich ebenso wenig wie die Bildhauerei oder Malerei erlernen - sie kommt von innen heraus. 

    Spezielle Techniken wie das Veredeln, das Abmoosen, besondere Alterungsverfahren sowie die Wald- und Felsenpflanzung setzen für gutes Gelingen reiche Erfahrung voraus, die nur der Fortgeschrittene in mehrjähriger Praxis erworben hat. Diese Themen werden daher lediglich am Rande angesprochen oder ganz ausgespart. 

    Gemäß der Zielsetzung, dem Bonsai-Anfänger behilflich zu sein, wurde bewusst darauf verzichtet, japanische Bonsai-Meisterwerke abzubilden. Solche Motive könnten dem Anfänger zwar den Weg weisen, blieben ihm aber in der Phase des Lernens so unerreichbar wie dem angehenden Klavierspieler das Spiel des Virtuosen. 

    Dagegen möchte ich zeigen, welchen beachtlichen Stand europäische Bonsaifreunde schon damals erreicht hatten. Den Herren P. Notter (Schweiz), DR. A. KRASSAI (Schweiz) und G. LEPRÈTRE (Frankreich) darf ich an dieser Stelle nochmals herzlich dafür danken, dass sie mich in diesem Bemühen so wohlwollend unterstützt haben. Ihre Topfbäumchen besitzen einen Reiz, dem man sich kaum entziehen kann. Damit weisen uns diese drei Meister den Weg zu einer europäischen Bonsai-Kunst.