12) Kranke Bonsais

    Im Tod des Gärtners liegt nichts, was

    einen Baum verletzt. Bedrohst Du aber

    den Baum, so stirbt der Gärtner einen

    zwiefachen Tod.

    SAINT -EXUPÉRY

    Als Bonsai-»Arzt« mache ich, Gott sei Dank, eine schlechte Figur, weil ich mit kranken Bonsais kaum Erfahrung habe. Ich glaube aber, einen Grund für mein Glück angeben zu können. 

    Zunächst möchte ich zwischen Pflegefehlern und ernstzunehmenden Krankheiten unterscheiden, obwohl jede unsachgemäße Pflege eine Krankheit nach sich ziehen kann.

    Pflegefehler

    Auf meiner Misserfolgsliste stehen eine größere Anzahl von Stecklingen, 2 - 3 Sammelbäumchen sowie eine Kiefer und ein Ahorn aus der Baumschule. Bei den Stecklingen muss man stets mit einer gewissen Ausfallquote rechnen. Sind sie zum richtigen Zeitpunkt geschnitten worden und wollen trotz feuchter Erde und gespannter Luft nicht wurzeln, so kann man dies nur als Stecklingsschicksal bezeichnen, und es hilft nichts weiter als Gelassenheit und der Mut zu neuen Versuchen.

    Staunässe. Meiner Kiefer hatte ich zu viele Wasserwohltaten erwiesen, wie sich beim Austopfen zeigte: die Wurzeln waren erstickt. Das Bäumchen steckte in einer schweren, wenig wasserdurchlässigen Erde, eine Dränageschicht fehlte. Die Kiefer machte kurzen Prozess, ließ sich nicht auf langes Kränkeln ein und wechselte innerhalb von 2 Wochen ihre Nadelfarbe von Grün in Braun. Das Umtopfen in luftigere Erde und tägliches Übersprühen der braunen Nadeln halfen nichts. Die Pflanze ging ein. Ich lernte daraus, auf Spaziergängen und Wanderungen besser zu beobachten, auf welchem Standort Bäume gut gedeihen und wo sie kümmern. Gerade Kiefern fühlen sich auf sandigen, durchlässigen Böden sehr wohl, wollen also auch in der Schale nicht zuviel Nässe. 

    WassermangeL Das Ahornbäumchen dagegen vertrocknete, obwohl ich glaubte, es richtig gegossen zu haben. Sein kurzer Lebenslauf: Im Frühjahr in der Baumschule gekauft, im Herbst umgetopft, im nächsten Frühjahr kümmerlicher Austrieb. Nach dem Gießen blieb die Erdoberfläche lange feucht und dunkel, worauf ich zurückhaltender goss. Als sich das ärmliche Laub einzurollen begann, nahm ich den Dahinsiechenden aus dem Topf und war höchst erstaunt, unter der feuchten Oberfläche fast trockene Erde vorzufinden. Für diesen Vorgang habe ich keine sichere Erklärung. Vielleicht ist es so: Hat man den Wurzelballen einmal austrocknen lassen und wässert hinterher nicht stark und lange genug, dann dringt das Wasser nur langsam in die tieferen Erdschichten ein, und man lässt sich von der angefeuchteten Oberfläche zu der Annahme verleiten, man habe genügend gegossen. Ein Tauchen wäre hier angebracht gewesen. Etwas Ähnliches fällt mir immer wieder beim Eintopfen auf. Füllt man trockenes Erde/Torf-Gemisch in einen Blumentopf bis 2 cm unter den Rand und gießt darauf Wasser, dann sickert dieses langsam in die Erde und tritt durch die Bodenlöcher aus. Man macht dabei die erstaunliche Entdeckung, dass nur eine ganz dünne Schicht an der Oberfläche nass ist; die Erde darunter bleibt trocken. Das Wasser muss durch Luftkanäle abgeflossen sein. Dazu sollte man folgendes wissen: Torf lässt sich in völlig trockenem Zustand nicht benetzen. Man darf ihn daher im Blumentopf nie austrocknen lassen. Deshalb sollte man torfhaltige Erde stets um so feuchter halten, je größer der Torfanteil ist. Wer dies berücksichtigt, hat keine Gießschwierigkeiten. 

    Verbrennungen, vor allem an den Blättern, gehen auf eine zu sorglose Pflege zurück. Sie entstehen, wenn man Pflanzen, die Halbschatten lieben, der vollen Sonne aussetzt oder wenn man die Blätter bei hochstehender Sonne mit Wasser übersprüht. 

    Verbrennungen treten in Form von hellbraunen Flecken an den Blättern auf Besonders empfindlich ist der Rote Ahorn (Acer palmatum atropurpureum). Bei ihm sind diese Symptome häufig zu beobachten . Die zarten Sämlinge sollte man nach dem Pikieren nur schrittweise der Sonne aussetzen, damit sie sich allmählich daran gewöhnen. Hält man sie zu sehr im Schutz einer Wand und im Schatten, suchen sie sich selbst den Weg zum Licht - sie vergeilen und werden zu schwächlichen, langbeinigen Pflanzengestalten.

    Krankheiten

    Bedenklicher als die Folgen von Pflegefehlern sind echte Krankheiten. Eine kranke Pflanze sieht anders aus als eine gesunde. Sie verliert ihre Widerstandskraft, wird geschwächt und dadurch oft anfällig für Schädlingsbefall. Vor allem Blattläuse besiedeln solche Pflanzen. Je günstiger die Bedingungen für sie sind, desto schneller vermehren sie sich und desto eher können sie so einem Bäumchen den Garaus machen. Wir können diese unangenehmen Sauger zwar mit einem Insektizid beseitigen, doch haben wir damit die Pflanze noch nicht kuriert. Ich selbst zerdrücke die Läuse mit den Fingern, damit sie keine weiteren Saugschäden verursachen: Beulen an den jungen Trieben, eingerollte Blätter oder verkrümmte Nadeln. Doch nach dem widerlichen Blattlausmord bleibt die Frage offen: Warum sind die Schädlinge überhaupt gekommen? War das Bäumchen vielleicht doch nicht ganz gesund? 

    Für A. SEIFERT ist bei einem kranken Baum, und das gilt wohl für jede Pflanze, das Bodenleben im Bereich der Wurzeln gestört. Im gesunden Boden herrscht ein vielfältiges Leben von Kleintieren, Pilzen und Mikroorganismen, die für eine gute Bodenstruktur sorgen und das organische Material durch Zersetzung den Pflanzen zugänglich machen. 

    in den flachen Bonsai-Schalen gerät das Mikroleben leicht durcheinander, wenn das Wurzelwerk fast den ganzen Raum ausfüllt, die Nährstoffe verbraucht sind oder die Erde überdüngt ist. Topfen Sie unter diesen Umständen das Bäumchen möglichst schnell um in frische Erde, damit die Wurzeln wieder Nahrung finden. Für mich selbst liegt das Geheimnis in der Prise frischen Komposts, mit der ich die gedämpfte Erde impfe. Das von diesem Kubikzentimeter ausgehende Leben ist das, was Bonsai-Wurzeln brauchen, um sich wohl zu fühlen. Es widerstrebt mir bis ins Innerste, zu sagen: Vergiften Sie Blattläuse, Mehltau und Älchen mit Präparaten der chemischen Industrie. Viel lieber rate ich: Zerdrücken Sie die Läuse, sammeln Sie die Larven ab, übersprühen Sie den pilzbefallenen Baum mit Brennesselbrühe und überlegen Sie, ob Sie möglicherweise einen Pflegefehler gemacht haben. Diese Argumentation wird nicht alle Bonsai- Liebhaber überzeugen. Für sie ist noch soviel an Basisinformation wichtig: 

    • Bei Bonsais treten die gleichen Krankheiten auf wie bei großen Freilandbäumen, und sie werden mit den gleichen Mitteln behandelt. 

    • Wer chemische Präparate anwendet, sollte die vom Hersteller angegebene Konzentration einhalten . 

    • Vor dem Spritzen ist die Erde mit einer Kunststoffmanschette abzudecken, damit das versprühte Gift nicht an die Wurzeln gelangt. 

    Weder der dem biologischen Weg zugeneigte noch der auf synthetische Pflanzenschutzmittel schwörende Bonsai-Gärtner wird für jede Pflanzenkrankheit ein Rezept wissen. So wird es auch dem aufmerksamsten Bonsai-Freund nicht erspart bleiben, immer wieder einmal ein geschwächtes Bäumchen zu haben, das ihm Sorgen bereitet. Man sagt, in Japan gebe es noch 700-jährige Bonsais. Ich bezweifle, ob diese Greise immer gesund waren. Sicher ist jedoch, dass sie niemals mit synthetischen Präparaten behandelt wurden, mochten sie auch noch so krank gewesen sein.