11) Pflege nach dem 1. Jahr

    Nicht in den Zweigen, in den Wurzeln

    steckt des Baumes Kraft.

    GERTRUD V. LEFORT

    Draußen in der Natur kann ein Baum im allgemeinen sein Wurzelwerk ungehindert entfalten, dem Bonsai in der Schale sind enge Grenzen gesetzt. Es liegt nun an uns, den Topfbäumchen durch geeignete Maßnahmen das Leben so zu erleichtern, dass sie trotz dieser Einengung gut wachsen und gedeihen .

    Umtopfen 

    Warum umtopfen? Das Umtopfen geschieht vorzugsweise im Frühjahr, eventuell auch im Herbst. Wir verfolgen damit zwei Ziele: Rückschnitt der gesamten Wurzelmasse und Erneuerung der verbrauchten Erde. Wie ein großer Baum, bildet auch unser kleingehaltenes Topfbäumchen immer mehr Wurzeln und vor allem Haarwürzelchen zur Wasser- und Nahrungsaufnahme aus. Oft entwickelt sich dabei ein regelrechter Wurzelfilz, der die ganze Schale ausfüllt. Manchmal merkt man es erst, wenn das Wurzelwerk unser Bäumchen sichtbar aus der Schale heraushebt. 

    Rückschnitt. Dieses eindeutige Zeichen sollten wir besser nicht abwarten, sondern schon vorher die Pflanze kontrollieren. Im ersten Herbst nach dem Einpflanzen heben wir die ganze Pflanze aus der Schale, und wenn bereits zu viele Wurzeln da sind, schneiden wir sie zurück. Um jedoch das Gleichgewicht zu wahren, müssen wir auch die Krone entsprechend zurückschneiden. Dieser schwerwiegende Eingriff erfordert viel Umsicht und Einfühlungsvermögen - zwei Eigenschaften, die wir uns durch aufmerksames Beobachten und geduldiges Üben aneignen können. Welches Niveau ein Bonsai-Praktiker erreicht hat, zeigt am deutlichsten sein Umgang mit der Schere.

    Wurzel-Krone-Verhältnis. Im allgemeinen entspricht die Ausdehnung des Wurzelwerks dem Kronenumfang. Dieses Verhältnis nehmen wir beim Gestalten unserer Bonsais als groben Richtwert. Über die Beziehung zwischen Zweig- bzw. Blatt- und Wurzelmasse ist damit aber wenig ausgesagt. So stellen wir sich bei älteren japanischen Bonsais das Verhältnis fest (Bild 29): V1: V2 = 1:5 bis 1:7*).

    Die Forderung, Wurzeln nicht weiter als auf ein für das Bäumchen noch erträgliches Maß zurückzuschneiden, ist leichter gesagt als getan. Auch hier müssen wir lernen, behutsam vorzugehen und die Auswirkungen des Rückschnitts sorgfältig zu beobachten. Sollte ein Bäumchen nach dem Rückschnitt nicht mehr weiterwachsen, kränkeln oder gar die Blätter fallen lassen, so ist dies ein unübersehbarer Hinweis für zu grobes Arbeiten. 

    Die Pflanze nimmt mit den Wurzelhaaren Wasser und die darin gelöste Nährsalze auf. Es ist daher wichtig, diese feinen Würzelchen so weitgehend wie irgend möglich zu erhalten.

    Ein Bonsai-Freund tut kaum einen Handgriff an seinen Bäumchen, den er nicht der Natur abgeschaut hat. Im Falle der Wurzeln aber hat er seine Schwierigkeiten. Wie sich die Wurzeln im Boden ausbreiten, lässt sich nicht ohne weiteres von außen feststellen. Ein eindrucksvolles und lehrreiches Bild bietet uns der vom Sturm entwurzelte Baum. Lernen können wir auch an einem größeren Baum, der etwa im Garten ausgegraben werden muss. Und doch weiß man dabei nie, wie viele Wurzelausläufer der Boden zurückbehält. Beim Bonsai hängt fast alles davon ab, ob wir die Wurzeln im richtigen Maß zurückschneiden. Ich selbst schöpfe dabei gern aus dem Erfahrungsschatz der japanischen Meister. Ihre alten und trotzdem gesunden Bonsais lehren uns, wie weit wir gehen dürfen. 

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    *) V1 = Topfvolumen; V2 = Kronenvolumen

    Schwächesymptome. Ein frisch ein- oder umgetopftes Bäumchen wird die erlittene Prozedur selten ohne sichtbare Folgen überstehen. Es erleidet einen Wachstumsschock, der je nach Empfindlichkeit der Baumart und je nach Stärke des Rückschnitts unterschiedlich lange anhält und die Pflanze im Wachstum hemmt. Auch der Zeitaufwand für das Umtopfen, die neue, oft anders zusammengesetzte Erde und die anschließenden Gießgepflogenheiten beeinflussen das Wohlbefinden einer umgesetzten Pflanze. Ganz empfindlich reagieren Bäumchen, die auf »wackeligen Füßen« stehen, weil sie nicht mit Draht befestigt sind. Beim Gießen stößt man nur zu leicht mit der Wasserkanne an die Bäumchen, so dass die Wurzeln sich lockern und nicht mehr den engen Kontakt mit der umgebenden Erde haben, der sie vor dem Austrocknen schützt. Es entsteht etwas Spielraum, der sich vergrößern kann und zuviel Luft an die Wurzeln lässt. Jede Pflanze braucht zum Anwachsen gute, feuchte Erde und Ruhe. Sollte ein Bäumchen nach starkem Rückschnitt besonders stark trauern, geben Sie es nicht gleich verloren. An einem beschatteten windstillen Platz wird es sich bald erholen. Nur, kontrollieren Sie jetzt den Wasserverbrauch noch sorgfältiger als sonst. Wässern Sie nicht, wenn der Boden längere Zeit feucht bleibt, sondern arten Sie damit, bis er oberflächlich abetrocknet ist. Ein Laubbaum verdunstet mehr Wasser über die großflächigen Blätter als ein Naelbaum. Sein Schwächezustand läßt sich aher nicht lange verbergen. Bei Koniferen dagegen ist der Umtopfschock häufig schlecht zu beurteilen. Man braucht schon einige Erfahrung, um von Farbnuancen der Nadeln auf das Befinden des Baumes schließen zu können. Mancher Bonsai-Freund ohne gärtnerische Erfahrung ist am Anfang geneigt, durch allzu eifriges Dazutun die Entwickung eines Bäumchens zu beschleunigen. Für ihn möchte ich hier noch einen Satz anfügen: Lassen Sie es in Ruhe wachsen und beschränken Sie Ihre Aktivitäten auf unaufschiebbare Maßnahmen!

    Umtopfen, wie oft? Je nach Alter und Art des Baumes ist der zeitliche Abstand vom einen zum anderen Umtopfen verschieden. Vor allem Anfängern, die sich nicht speziell auf die Weiterpflege älterer Bonsais verlegt haben, empfehle ich grundsätzlieh ein Mal pro Jahr, und zwar für jede Baumart. Dabei sollten Sie in den ersten Jahren eine gleichbleibende Erdmischung verwenden.

    So wird umgetopft. Am Tag vor dem Umtopfen gießen wir unser Bäumchen nicht. Am folgenden Tag heben wir die Pflanze samt Wurzelballen aus dem Topf. Die alte Erde wird vorsichtig herausgeschüttelt oder sehr sorgfältig mit einem Drahthaken oder einer Gabel aus den Wurzelnischen geholt. Dabei achten wir darauf, dass die Mykorrhiza (= Symbiose der Wurzeln mit bestimmten Pilzen) nicht gestört wird und klopfen die Erde großzügig ab. Das Pilzmyzel umspinnt die Seitenwurzeln und ersetzt die Wurzelhaare. Ist der Ballen schon dicht durchwurzelt, muss sorgfältig überlegt werden, wieviel davon zu entfernen ist. Oft findet man mit Hilfe der Riechprobe heraus, wann die Umtopfzeit gekommen ist: Der Wurzelballen verströmt dann einen eigenartig moderigen Duft, der keine Verwandtschaft mehr zum frischen Geruch des Humus erkennen lässt.

    Werkzeuge. Beim Herausnehmen des Wurzelballens bietet sich immer wieder ein typisches Bild Die Wurzeln wachsen vorwiegend an der Topfwand entlang. Dieses meist dichte Wurzelwerk muss nun entwirrt werden, damit die Wurzeln mehr Freiraum bekommen. Für dieses Geschäft und für alle dazugehörigen Handgriffe habe ich meiner verständnisvollen Frau drei Gegenstände aus dem Haushalt entwendet: eine dicke Aluminiumstricknadel zum vorsichtigen Lockern und Loslösen, eine alte Schere für den Wurzelschnitt (Sand und Steinchen würden die Schneiden einer neuen Bonsai-Schere nur quälen!) sowie eine Gabel. Die Stricknadel wird vorne hakenförmig umgebogen. Der Haken und die Gabel haben sich als Universalwerkzeuge herausgestellt, auf die ich nicht mehr verzichten möchte. 

    Wurzeln nicht austrocknen lassen! Dunkelheit und Feuchtigkeit sind die Lebenselemente der Pflanzenwurzeln. Damit sie während des Umtopfens nicht austrocknen, sollte man für diese Arbeit nicht gerade das sonnigste oder windigste Wetter aussuchen. Oft können wir aber nicht auf den idealen bedeckten, windstillen Tag warten, dann arbeiten wir unbedingt im Schatten und schlagen den Wurzelballen in feuchte Erde ein. Wurzeln, die länger als 5 -10 Minuten im Wind oder an der Sonne liegen, könnten uns diese Nachlässigkeit sehr übelnehmen.

    Wässern

    Ein Bonsai-Besitzer, nach der ihn am meisten in Anspruch nehmenden Pflegearbeit gefragt, wird ohne Zögern das Wässern nennen. Kein Wunder, denn unsere Bäumchen müssen sich mit sehr wenig Boden begnügen. 1- 2 Tage Nachlässigkeit kann bei heißem Sommerwetter zum Vertrocknen und Absterben der Pflanzen führen. Kein Zweifel also: dem Wässern muss unsere größte Aufmerksamkeit gelten. Wir tun uns bei Bonsais schwerer damit als etwa bei Zimmerpflanzen, weil uns der Gießrand fehlt. Ein Gießrand gilt unter Bonsai-Künstlern als ausgesprochener Schönheitsfehler. Man kann aber bei Jungpflanzen, die noch weit entfernt sind von der typischen Bonsai-Form, den Gießrand durchaus belassen, weil er die Pflege erleichtert und größere Wassergaben ermöglicht. Wo wir aber keinen Gießrand und auch noch keine Unterpflanzung haben, müssen wir feinfühliger, langsamer und häufiger gießen. 

    Gießgeräte. Am günstigsten wirkt ein weicher Sprühregen aus feinen Düsen. Die übliche Gießkanne mit den relativ großen Löchern im Sprenzer bringt einen zu harten Strahl auf die Pflanzen und schwemmt den Oberboden leicht weg. Viel Wasser läuft oberflächlich ab, und man weiß nicht sicher, ob der ganze Wurzelballen auch durchfeuchtet ist. Wir beschaffen uns daher entweder die (ziemlich teuere!) japanische Bonsai-Gießkanne mit Spezialbrausekopf oder - wozu ich mich entschied - eine Drucksprühflasche (Bild 30), die an sich zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wird. Mit ihrer Handpumpe lässt sich in der Flasche ein Druckpolster von 3 bar erzeugen. Damit kann man eine ganze Zeit lang sprühen, ohne dauernd weiterpumpen zu müssen. Wer mit Regenwasser aus dem 10-LiterEimer arbeitet, empfindet bald den sparsamen Verbrauch dieser Drucksprühflasche als weiteren Vorteil. Je nach Witterung reicht eine Flaschenfüllung für 30 kleinere Pflanzen einen bis drei Tage lang. 

    Tauchen. Von Zeit zu Zeit lasse ich meinen Bäumchen ein durchdringendes Fußbad zukommen. Ich benutze dazu eine flache, wassergefüllte Kunststoffwanne und stelle die Bonsais für 5-10 Minuten hinein. Damit lässt sich auch ohne Umstände das Düngen verbinden. Entsprechend der Gebrauchsanweisung fügt man Flüssigdünger (siehe Seite 51) hinzu. 

    Bäume; die sich als »Säufer« herausstellen (Weide, Hainbuche u. a.), sollte man an heißen oder windigen Tagen öfter fluten als ihre weniger durstigen Brüder. Da wir unsere Pflanzen immer wieder in die Hand nehmen, um sie zu begutachten, bekommen wir bald ein sicheres Gefühl dafür, ob der Wurzelballen das erforderliche Feuchtigkeitsgewicht hat oder nicht. Bei der täglichen Pflege ist mir dieses einfache Prüfverfahren schon fast zum mechanischen Handgriff geworden. Das beste Gießwasser ist sauberes Regenwasser. Es enthält weder randbildenden Kalk noch keimabtötendes Chlor. Wo Leitungswasser nicht zu hart ist (unter 10° deutscher Härte), kann man auch dieses verwenden. Doch sollte man es 2-3 Tage abstehen lassen, damit das von den Wasserwerken zugesetzte Chlor entweichen kann. Es ist den Pflanzen nicht zuträglich. Der Kalkgehalt dagegen ändert sich auch durch längeres Abstehenlassen nicht. Man kann den pH-Wert jedoch mit speziellen Enthärtungstabletten auf das für die Pflanzen notwendige Maß absenken. Wer Regenwasser aus der Dachrinne sammelt, sollte beachten, dass der erste Regenguß nach längerer Niederschlagspause stark verunreinigt ist durch Ablagerung von Staub und Verbrennungsrückständen auf den Dachziegeln. Man wartet daher ein Weilchen, bis der Hauptschmutz abgewaschen und in der Kanalisation verschwunden ist, und fängt dann das relativ saubere Wasser auf. 

    Beim Gießen selbst können Sie nur noch eine Sünde begehen: sprühen in praller Sonne. Die an der Pflanze haftenden Wassertropfen wirken dann wie ein Brennglas; sie bündeln die Sonnenstrahlen und vereinen sie im Brennpunkt dicht hinter dem Tropfen, so dass dort das Blattgewebe regelrecht verbrennt. Die beste Zeit zum Gießen ist abends oder morgens.

    Düngen

    Ich werde nicht in den Erdsalzen die Erklärung 

    für den Orangenbaum suchen. lndem ich den Aufstieg 

    des Orangenbaums verfolge, werde ich durch ihn den Aufstieg der Erdsalze erklären. 

    SAINT-EXUPÉRY

    Ein Bonsai darf nicht durch eingeschränkte Nährstoffgaben im Wachstum gehemmt werden, denn wie alle Pflanzen muss auch so ein kleines Bäumchen Substanz aufbauen, Blätter bilden, wachsen, blühen und fruchten können. Es entnimmt seine Nährstoffe dem Boden, und wir müssen sie regelmäßig und richtig dosiert ersetzen.

    Zusammensetzung der Dünger

    Ein Bonsai-Dünger ist grundsätzlich ein normaler Dünger. Neben wasserlöslichen Verbindungen der Kernnährstoffe Stickstoff, Phosphor, Kalium, Calcium und Magnesium sollte er Spurenelemente wie Eisen, Zink und Kupfer enthalten. Wichtig ist, dass die Nährstoffe allmählich abgegeben werden und damit über längere Zeit verfügbar sind. Diese Forderung erfüllen am besten organische Dünger. Sie entstehen aus pflanzlichen und tierischen Substanzen, die im Boden schrittweise zersetzt und von den Mikroorganismen in eine für die Pflanze aufnehmbare Form überführt werden. Neben Blut- und Knochenmehl, Hornspänen und Peru-Guano (Seevogelmist) gibt es viele andere Produkte im Handel. Organische Dünger für Zimmerpflanzen können wir auch für Bonsais verwenden. Sie werden in fester wie in flüssiger Form angeboten. Ich selbst bevorzuge Flüssigdünger (z. B. Compo-Guano flüssig), weil sie problemlos zu handhaben sind.

    Wann, wie stark, wie oft düngen?

    Grundsätzlich braucht eine Pflanze Düngegaben, solange sie wächst, also etwa zwischen Mai und Oktober. Dem BonsaiNeuling rate ich zu einem 3-Wochen-Rhythmus, der, wenn man Mitte April beginnt, 7-8 Düngungen pro Jahr ergibt. Wichtig ist, dass man mit schwachen Konzentrationen arbeitet. Man nehme doppelt so viel Wasser oder noch mehr, als die Gebrauchsanweisung für Zimmerpflanzen angibt. Darüber hinaus beachten wir dies . 

    • Grundsätzlich nur in feuchte Erde düngen 

    • Blühende Bäumchen schwächer oder gar nicht düngen 

    • Japanische Düngekugeln auf die Erde legen, wo sie durch Gießen allmählich Nährstoffe abgeben. Nachteil: Sie greifen das Moospolster an. Das Düngen ist eine wichtige Maßnahme in der Bonsai-Gärtnerei. Ein Überangebot von Nährstoffen fördert das Wachstum und würde unsere Bemühungen des Kleinhaltens sabotieren. Zu sparsame Düngergaben setzen die Lebenserwartung der Bäumchen herab. Auch hier gilt wie bei allen Techniken der Bonsai-Erziehung durch stetes, aufmerksames Beobachten den richtigen Weg finden. Man kann nicht im ersten Jahr schon wissen, wie Pflanzenart, Pflanzenalter, Wachstumsphasen und Düngen zusammenhängen.