16) Bonsai ohne Garten?
Nicht jeder Leser besitzt einen Garten, in dem er diesem schönen Steckenpferd nachgehen kann. Mancher ist auf einen Balkon oder gar ein Zimmer angewiesen. Damit sind der Beschäftigung mit Bonsai von vornherein Grenzen gesetzt.
Balkon-Bonsai
Wer mit dem Balkon vorliebnehmen muss, kann dort kaum die vielen Übungspflanzen aufstellen, die er in den ersten Jahren des Experimentierens braucht. Im Laufe der Zeit wird sich seine Beschäftigung mit Bonsai auf reines Gestalten sowie auf Gießen und gelegentliches Umtopfen beschränken.
Und doch hat auch das Erziehen nur weniger Bäumchen einen Vorzug: Der Bonsai- Freund, der, etwa im Hochhaus, wesentlich naturferner leben muss als ein Gartenbesitzer, erlebt hier die Natur in ihrem wunderbaren jahreszeitlichen Ablauf aus nächster Nähe (Bild 52).
Weit mehr als im Garten ist auf dem Balkon die Standortfrage wichtig . Nicht alle Pflanzen stellen gleiche Ansprüche an Licht, Luft, Temperatur und Wasser. Aber Wind, Regen und vor allem Sonne brauchen viele Bonsais, wenn sie gesund und kräftig bleiben sollen. Vor dem Erwerb eines Bäumchens heißt daher die vorrangige Frage: Erhält der Balkon ausreichend Sonnenlicht? Ein Nordbalkon scheidet oft von vornherein aus. Bei günstiger gelegenen Balkonen sollte noch herausgefunden werden, an welcher Stelle das Sonnenlicht vom Frühjahr bis zum Herbst am längsten verweilt, und dort sollte der Bonsai dann stehen. Das Schattenproblem stellt sich natürlich auch im Hausgarten. Aber hier wie dort kann man ihm durch entsprechende Auswahl geeigneter Pflanzen begegnen. Die Tabelle auf Seite 53 gibt Auskunft, welche Gehölze sonnenhungrig sind und welche mit Halbschatten auskommen.
Aus Amerika bekannt gewordene Versuche mit Kunstlicht scheinen mir zu weit zu gehen. Wo ich ein Bäumchen nur noch mit Hilfe künstlicher Beleuchtung über die Runden bringe, muss ich mein Bonsai-Steckenpferd aufgeben und nach einer Freudenquelle Ausschau halten, die auch ohne Sonnenwärme sprudeln kann.
Zimmerbonsai mit Exoten
Bonsai-Kultur ist nicht ausschließlich an den Garten gebunden, auch nicht an einen Frischluftplatz auf dem Balkon - sogar im Zimmer kann man sich ihr widmen (Bild 53).
Pflanzenauswahl. Die dafür geeigneten Pflanzen sind meist tropischer Herkunft und brauchen, wie in ihrer Heimat, nicht unbedingt Winterruhe. ln den beheizten Wohnungen unserer Breiten ist es das ganze Jahr über warm, und könnten sie mehr Feuchtigkeit bieten, so wären die wichtigsten Bedingungen für ein tropisches Klima gegeben. Wo aber ein geschlossenes Blumenfenster oder gar ein Wintergarten vorhanden ist, steht nichts mehr im Weg, mit der Gestaltung von Zimmerbonsais zu beginnen.
Wer bereits erfolgreich Zimmerpflanzen gepflegt hat, dem fällt es nicht schwer, auf Zimmerbonsai umzusteigen. Er braucht lediglich die Grundregeln zu beachten, die für die Haltung von Bonsais allgemein gelten:
• Die Pflanzen müssen verholzen
• Die Blätter sollten möglichst klein sein, damit der Bonsai-Charakter gewahrt bleibt
• Langsam wachsende Pflanzen sind leichter in eine ansprechende Form zu bringen
• Die Unterpflanzung sollte zum tropischen Baumtyp passen (Sempervivum, Zwergkakteen, tropische Gräser, Moose usw.).
Andererseits zwingen bestimmte Eigenschaften der tropischen Pflanzen den Bonsai-Freund, von manchen Gepflogenheiten abzugehen, da viele dieser Gehölze sehr dicke Stämme und Äste entwickeln. So ist im Zimmer ein Gestalten mit Drähten aus ästhetischen Gründen kaum denkbar. Wichtigste Werkzeuge sollten hier Fingernägel und Schere sein. Die im subtropischen Raum, z. B. am Mittelmeer beheimateten Pflanzenarten benötigen zu gutem Gedeihen einen zwischen Tag und Nacht schwankenden Temperaturrhythmus. Dieser ist während der Sommermonate auch in unserer Klimazone gegeben. Im Winter lässt er sich leicht einhalten, wenn die Zimmertemperatur nachts abgesenkt wird. Diesen Temperaturwechsel ertragen übrigens auch die meisten tropischen Pflanzen.
Standplatz. Allgemein werden Zimmerbonsais dort gut gedeihen, wo sie einen hellen Platz (Süd- oder Westfenster) mit genügend hoher Luftfeuchtigkeit bekommen. Das ist besonders wichtig für die Pflanzen aus tropischen Gebieten. Wer weder einen Wintergarten noch ein geschlossenes Blumenfenster besitzt, sollte die Luftfeuchtigkeit durch häufiges Übersprühen erhöhen oder einfacher durch Aufstellen der Bäumchen in Schalen, die mit Kies und Wasser gefüllt sind. Die zahlreichen Steine vergrößern die Verdunstungsoberfläche, so dass die Bonsais ständig von feuchter Luft umgeben sind. Statt der Kieselsteine kann man auch andere Steine verwenden. So entsteht zugleich eine gefällige, zu den Pflanzen passende Wasserlandschaft (Bild 54).
in der folgenden Aufstellung sind einige für den Fensterplatz geeignete Pflanzenarten genannt. Alle lassen sich zu Zimmerbonsais erziehen. Über dieses Gebiet gibt es noch wenig praxisnahe Literatur, und man darf gespannt sein auf weitere Entdeckungen, die uns begeisterte Bonsai-Freunde künftig vorstellen.
Geeignete Pflanzen zur Erziehung von Zimmerbonsais
Brautmyrte - Myrtus communis
Efeu - Hedera helix
Gummibaum - Ficus microcarpa
Kamelie - Camellia japonica
Olivenbaum - Olea europaea
Rosmarin - Rosmarinus angustifolius
Schefflera - Brassaia actinophylla
Serissa - Serissa foetida
Zwergbambus - Sasa pygmaea