4) Beschaffung des Pflanzenmaterials
Für den Bonsai-Anfänger gibt es vier Möglichkeiten, sich Ausgangsmaterial für sein Steckenpferd zu besorgen
• Ausgraben wildwachsender Pflanzen
• Anzucht aus Stecklingen
• Beschaffung von Jungpflanzen in der Baumschule
• Anzucht aus Samen.
Sammeln in freier Natur
Am schnellsten kommt man zu einem schönen Bonsai mit einem Bäumchen, an dem die Natur schon »vorgearbeitet« hat. Es wächst irgendwo draußen als Wildpflanze, und man braucht es nur auszugraben und mitzunehmen. Bei japanischen Bonsai-Sammlern ist diese Methode beliebt, und sie haben ein prägnantes Wort dafür: yamadori. Schon meine ersten Streifzüge lehrten mich, dass man unter Umständen lange suchen muss, bis sich eine bonsaiwürdige Pflanze findet. Nicht selten sucht man gar umsonst oder bringt nur mittelmäßige bis völlig ungeeignete Pflanzen mit nach Hause.
Wann sammelt man?
Wer einen Garten bearbeitet, weiß, dass es für das Pflanzen der Gehölze zwei günstige Jahreszeiten gibt: das Frühjahr und den Herbst. Dies sind auch die yamadori-Jahreszeiten.
Pflanzenauswahl
Dem Bonsai-Anfänger passiert leicht, was man bei jedem Sammler beobachten kann. Er drückt beide Augen zu und akzeptiert zunächst alles, nur um seine erste Sammelleidenschaft zu besänftigen. Obwohl lebende Pflanzen gegenüber toten Sammelgegenständen den großen Vorzug besitzen, dass sich ihre augenblickliche Form verbessern lässt, rate ich dem Anfänger: Nehmen Sie nie eine ältere Pflanze mit, wenn Sie von ihrer Formungsmöglichkeit nicht überzeugt sind. Sie werden sonst manchen Topf herumstehen haben, dem man von Jahr zu Jahr mehr ansieht, dass hier eben nichts zu machen ist. Auf die Hoffnung, einen fertigen Bonsai in der Natur zu finden, dürfen wir nicht bauen. Wenn es solche Bäumchen überhaupt gibt, dann nur in karger Landschaft wie etwa im Hochgebirge. Wer aber dort sucht, wird kaum seinen Wunschbaum finden, wenn er nicht zugleich die Bergerfahrung und das Auge eines Pius Notter besitzt. Seine bewundernswert schönen Lärchen (Bild 4) und Kiefern sind deutlich von Wind und Wetter geprägt; man sieht ihnen an, dass er sie nicht zufällig beim Spazierengehen fand. Der Baum, von dem wir träumen, ist am ehesten auf der freien Fläche zu finden, wo er durch Witterungseinflüsse gedrungen blieb. Meine Sammlung bereichern ein paar Hainbuchen, von denen ich glaube, dass die Natur sie mit Bonsai-Gaben ausgestattet hat. Zwei davon fand ich auf einer von Wald umgebenen Schwarzwaldwiese. ln den Jahren zuvor weideten dort Kühe, die durch wiederholtes Anfressen den Bäumchen zu uraltem Aussehen verhalfen. Suchen wir im Wald, so ist es immer wieder die gleiche Schwierigkeit, die uns vom Ausgraben abhält: Am Fuß stattlicher Bäume finden wir oft hochgeschossene Gewächse mit langen Trieben, die sich dort ausgesamt haben. Sie streben dem Licht zu und nehmen dabei unproportionierte Formen an. ln manchen Fällen kann der Untergrund Probleme aufwerfen. Auf der Schwäbischen Alb konnte ich an zwei Wacholderbüschen alles, was ich über die Schwierigkeiten des Ausgrabens gelesen hatte, schmerzlich studieren. Der Wacholder wächst dort auf steinigen und zerklüfteten Böden. Trockenheit und Kälte übersteht ei nur dank seiner tief hinabreichenden Wurzeln. Damals wusste ich das noch nicht, und das richtige Werkzeug, mit dem ich die Wurzeln hätte behutsam frei legen können, fehlte mir auch. Es schmerzte mich, als ich, kräftig ziehend, die dicke Wurzel krachen hörte. Hinzu kam ein extrem trockener Boden, der bis auf wenige Klümpchen von den Wurzeln abbröckelte. Doch ich hatte Glück mit den robusten Pflanzen. Wider Erwarten überstanden sie die Umsiedlung in die Rheinebene. Ich hatte die bloßgelegten Wurzeln in einem mit angefeuchteter Erde gefüllten Plastiksack transportiert Sicher war das ihre Rettung (Bild 5). Wer selbst Bäumchen sammelt, muss also dafür sorgen, dass die Wurzeln auf dem Heimweg nicht austrocknen. Feuchte Erde oder feuchtes Moos, mit Sackleinen oder Kunststoffolie zusammengehalten, bewahren die Pflanzen vor Schaden. Wenn es irgendwie geht, sollte man sie mit dem Wurzelballen ausgraben. Ihre Wurzeln werden so am wenigsten geschädigt und wachsen in der neuen Umgebung rasch weiter. Werden aber Wurzeln abgerissen oder beschädigt, müssen die verletzten Teile mit der Baumschere sauber glattgeschnitten werden. Theoretisch ist das Sammeln von Wildpflanzen die einzige Möglichkeit, bald zu ansehnlichen Bonsais zu kommen. Praktisch aber erfordert ihre Erziehung oft schwerwiegende Eingriffe mit der Schere, um eine gute Form zu erhalten. Die Schnittstellen lassen sich nicht immer verbergen. Schnittstellen an über 4 mm dicken verholzten Zweigen betrachte ich als Schönheitsfehler. Manchmal kann es lange dauern, bis sie durch Wundgewebe überwallt und dann aus der Welt geschafft sind. Solche Schwachstellen findet man häufig an Bonsai-Massenware, wie sie oft für teures Geld verkauft wird.
Was aus einer ausgegrabenen Buche werden kann, zeigt eindrücklich Bild 56.
Handwerkszeug
Zum Ausgraben der jungen Pflanzen brauchen wir Handwerkszeug, das leicht mitgeführt werden kann und trotzdem seine Aufgaben erfüllt. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit einer Stechschaufel (Bild 6) gemacht. Der Gartenfachhandel bietet sie an zum Ausstechen tiefwurzelnder Unkräuter. Das Schaufelblatt müsste allerdings auf der Rückseite mit einem etwa 1,5 mm dicken Blechsteg (Bild 6) verstärkt werden, damit es beim Ausgraben tiefreichender Wurzeln nicht verbogen wird. Ein besonderer Vorteil dieser Schaufel: Sie passt notfalls in die Hosentasche.
Wurzelformen
Leider besitzen die Bäumchen, die uns auf Anhieb begeistern, manchmal sehr lange Wurzeln, die tief im Boden stecken. Bei den Waldbäumen unterscheiden wir drei Wurzelformen: Pfahlwurzel, Flachwurzel und Herzwurzel.
Pfahlwurzeln (Bild 7a) finden wir bei Eichen, Buchen und Kiefern. Sie sind am schwierigsten unversehrt aus der Erde zuholen. Da sie in den flachen Schalen ohnehin keinen Platz haben, muss man sie stark zurückschneiden. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Gehen beim Ausgraben viele Haarwürzelchen verloren, muss man in wenigstens zwei Schritten einkürzen. Es kann dann gut 2 Jahre dauern, bis das Bäumchen in die Schale passt. Bis dahin kultivieren wir es im Freiland oder wenigstens in einem ausreichend tiefen Blumentopf.
Ausgrabeerlaubnis ist erforderlich
Wer im Wald Pflanzen ausgraben will, muss beim zuständigen Forstamt um Erlaubnis bitten. Er wird dort um so mehr Verständnis erfahren, je verantwortungsbewusster er sich zeigt. Indessen gibt es Stellen und Situationen, die ein Ausgraben auch ohne Genehmigung zulassen: auf Rodungsflächen, an verwilderten Wegrändern, in Steinbrüchen, wo sich bestimmte Pflanzen selbst aussamen und früher oder später doch gerodet werden. ln den meisten Fällen aber wird das Einverständnis des Waldbesitzers oder des Forstamtleiters notwendig sein.
Stecklinge
Wenn ein Baum heranwächst, ist er weich und zart;
und wenn er trocken und hart wird, stirbt er ab.
Härte und Kraft sind die Begleiter des Todes.
Schwäche und Weichheit kündigen das frische Leben an.
LAOTSE
Die ersten erfreulichen Erfahrungen mit Bonsais bescherten mir Stecklingspflanzen. Das größte Bäumchen auf Bild 8 ist aus meinem ersten Steckling entstanden. Da es schnell zu einer ansprechenden Form heranwuchs, spornte es mein Bonsai-Steckenpferd sozusagen zum Galopp an. Dass man aus einem Steckling eine Pflanze mit Wurzeln gewinnen kann, war für mich ein fast unglaublicher Vorgang: Man schneidet einen Zweig ab, steckt ihn in den Boden und erhält nach kurzer Zeit ein bewurzeltes Pflänzchen. Viele Pflanzen lassen sich auf diese Weise ungeschlechtlich (vegetativ), also ohne Samen, vermehren. Mit größter Spannung verfolgen wir, was aus dem Zweigstück wird. Ob es austreiben und sich bewurzeln wird? Meistens tut es uns den Gefallen! Was für den Erwerbsgärtner ein klarer Fall ist, empfindet der Anfänger als ein Naturwunder. Wenn sein Pflänzchen nach einiger Zeit zu wachsen anfängt, zeigt es damit an, dass es bewurzelt ist.
Stecklinge schneiden
Bei Laubgehölzen schneiden wir die Stecklinge zwischen Juni und August, solange die diesjährigen Triebe noch grün und nicht verholzt sind. Wir wählen dazu einen gesunden, kräftigen Trieb mit mindestens 4 Blättern. Mit einem scharfen Messer wird die Basis des Triebs knapp unter einer Knospe keilförmig zugeschnitten. Die unteren Blätter werden entfernt, um Fäulnis zu verhindern. Sind die übrigen Blätter groß, so halbieren wir sie, um die Verdunstung herabzusetzen. Kurz vor dem Stecken nehmen wir dem Trieb die Spitze ab (Bild 9a). Nach dem Zurichten sollten die Laubholzstecklinge noch 4-6 Knospen oder Knospenpaare tragen. Je nach Abstand der Knospen voneinander entspricht dies einer Stecklingslänge von 6 - 12 cm. Bei Nadelgehölzen (Bild 9b) schneiden wir die Stecklinge im August. Sie bewurzeln sich besser, wenn die verwendeten Triebe ausgereift sind. Im Gegensatz zu den Laubgehölzen werden diese Triebstecklinge im allgemeinen nicht entspitzt. Stecklingserde Als Stecklingserde eignet sich ein selbst hergestelltes Gemisch aus gewaschenem Flußsand (bis 1 mm Korngröße) und gewöhnlichem Torf (1 : 1) oder eine fertige Mischung wie TKS 1 (Torfkultursubstrat), die im Fachhandel auch in kleinen Mengen abgegeben wird. TKS 1 ist eine keimfreie, nährstoffarme Anzuchterde für Jungpflanzen. Auf dem Markt wird sie unter vielerlei Handelsbezeichnungen angeboten. Aus der Gebrauchsanleitung lässt sich meist entnehmen, ob der Inhalt dem TKS 1-Typ entspricht.
Mit einem guten Bewurzelungserfolg kann nur in keimfreier Erde gerechnet werden. Selbst hergestellte Erde lässt sich durch Sterilisieren keimfrei machen. Bei mir hat sich das stets bewährt.
Das Stecken
Zwischen dem Schneiden und dem Stecken darf der Trieb nicht an der Luft trocknen. Schneidet man die Stecklinge unterwegs, so hilft eine Plastiktüte, in der sich feuchte Erde befindet, die Zeit bis zum Stecken zu überbrücken. Notfalls tut es auch eine in Wasser getauchte Papierumhüllung.
Zu Hause stehen schon die Anzuchttöpfe bereit. Es können normale Blumentöpfe sein, möglichst aus Kunststoff, damit weniger Feuchtigkeit verdunstet. Sie sind mit feuchter Anzuchterde gefüllt. Mit einem Stäbchen in der Stärke unserer Stecklinge stechen wir die Stecklöcher vor und schieben jeweils einen Steckling mit dem unteren Drittel in die Erde. Durch festes Andrücken sorgen wir für satten Kontakt mit der Erde.
Luftfeuchtigkeit ist wichtig!
Wir umhüllen jeden Stecklingstopf mit einem Plastikbeutel, den wir unten zubinden, so dass eine feuchte Kammer entsteht und der Steckling nur wenig Wasser verdunstet. Dann stellen wir die Stecklinge an einem hellen, doch vor Wind und Sonne geschützten Platz auf, entfernen täglich den Beutel für einige Zeit und besprühen die aufgedeckten Pflanzen immer wiede. Das tägliche Abnehmen der Beutel ist wichtig, damit keine Fäulnis entsteht. Wird statt des Kunststoffbeutels ein beheizbarer Anzuchtkasten verwendet, kann man bei warmem Wetter eine Holzleiste unter den Klarsichtdeckel klemmen und so für genügend Luftzufuhr sorgen. Samen, die in diesem fast paradiesischen Klima nicht aufgehen, und Stecklingen, die dort keine Wurzeln schlagen, wäre anders auch nicht mehr zu helfen. Die Kästen gibt es in verschiedenen Abmessungen von etwa DIN-A4-Größe bis zu 0,5 Quadratmeter nutzbarer Fläche.
Bewurzelungserfolg
Ich glaube, wenn wir sechs bis sieben von 10 Stecklingen über die Runden bringen, können wir von einem respektablen Ergebnis sprechen. Wegen der unvermeidlichen Ausfälle ist es immer günstig, wenn man jeweils mehrere Stecklinge von einer Pflanzenart gleichzeitig steckt. Das Bewurzeln ist jedoch nicht die einzige Hürde, die unser künftiger Bonsai nehmen muss. Schon beim Schneiden der Stecklinge mit nicht sterilem Besteck kann es zu einer lnfektion und dadurch zur Krankheit kommen. Außerdem wird manches Bäumchen später aussortiert werden, weil es unsere Ansprüche an die Wuchsform nicht erfüllt. Die Laubgehölze zeigen nach kurzer Zeit, ob sie mit ihrem neuen Dasein einverstanden sind. Blätter, die sich einrollen und braun verfärben sowie ein runzliger Stiel bedeuten nichts Gutes. Als ganz robuste, sichere Anwurzler habe ich kennengelernt: Feuerdorn, Felsenmispel, Heckenkirsche und Winterjasmin. Sie bewurzeln sich innerhalb von 3- 8 Wochen (siehe Seite 11). Als nachteilig wirkte sich bei Stecklingen oft die Art der Bewurzelung aus, vor allem für eine Steinbepflanzung (Bild 10).
Nadelgehölze tun sich schwer
Nadelholzstecklinge halten den bangenden Bonsai-Lehrling gerne zum Narren. Lange bewahren sie ihr frisches Grün, ohne das geringste Wachstum zu zeigen. So kann es sein, dass man nach einem halben Jahr auch nicht das kleinste Würzelchen findet. Ist die Schnittfläche in dieser Zeit nicht einmal von Wundgewebe umwallt worden, so muss man den Bewurzelungsversuch als fehlgeschlagen betrachten, also ein handfester Grund, auch hier mehrere Stecklinge einer Sorte gleichzeitig zu ziehen. Im Vergleich zu den Laubhölzern muss man bei Nadelhölzern sehr viel mehr Geduld aufbringen. Mit Kiefern braucht man es gar nicht erst zu versuchen.
Bewurzelungshormone
Baumschulen ziehen schon aus wirtschaftlichen Gründen einen großen Teil ihrer Pflanzen aus Stecklingen heran. Da sie an hohen Bewurzelungsquoten interessiert sind, arbeiten sie mit Bewurzelungshormonen, z. B. »Wurzelfix«. Diese in der Regel pulverförmigen Mittel regen das Zellwachstum an und begünstigen die Kallus- und Wurzelbildung. Wer als Bonsai-Freund in größerem Umfang Versuche mit Stecklingen macht, sollte nicht zögern, ein Bewurzelungshormon zu verwenden, um die Ausfälle möglichst klein zu halten.
Pflanzen aus der Baumschule
Pflanzen, die wir bei uns nicht freiwachsend finden, bekommt man meist in der Baumschule (Bild 11). Dort können wir uns in aller Ruhe bonsaiwürdige Jungpflanzen aussuchen. Ich denke dabei vor allem an zwei, bei uns nicht heimische Pflanzenarten, die hier aber dennoch gut gedeihen: Japanischer Fächerahorn und Chinesischer Wacholder. Beide eignen sich besonders gut für die Erziehung zum Bonsai.
Zuchtformen
Bonsai wird dort zur Kunst, wo es gelingt, eine an sich hoch werdende pflanze klein zu halten und so zu gestalten, dass ihr Erscheinungsbild dem des natürlich wachsenden Baumes entspricht. Zwergbäumchen, die durch Züchtung entstanden sind, bieten in gestalterischer Hinsicht wenig schöpferischen Spielraum. Sie wollte ich daher nicht zu stark in meine Bonsai-Gestaltung einbeziehen. Recht gut eignen sie sich aber für die Erziehung von Miniatur-Bonsais, die nicht höher als 12 cm werden dürfen. Dasselbe gilt für niederwüchsige Sträucher wie zum Beispiel Berberitze, Heckenkirsche und Fingerkraut.
Zwischen gezüchteten Zwergformen und Miniatur-Bonsais sollte das Verhältnis der Wuchshöhen von 10:1 nicht wesentlich unterschritten werden. Beispiel: Eine Pflanze, die in der Natur eine Höhe von 200 cm erreicht, darf als Bonsai höchstens 20 cm hoch werden. Dies soll aber durchaus keine starre Regel sein, da charakteristische Eigenschaften wie Borkenstruktur, Blattgröße und Knospenabstand gerade bei solchen Bonsai-Verkleinerungen den Gesamteindruck wesentlich mitprägen.
Die richtige Auswahl treffen
Auch wenn wir in der Baumschule leichter bonsaigeeignete Pflanzen finden als draußen in der freien Natur, lohnt es sich, die Anwärter eingehend von allen Seiten zu begutachten. Zu Hause könnte sich sonst herausstellen, dass der Stamm doch etwas zu lang ist, dass Ballentuch oder Topf eine ungünstige Wurzelpartie freigeben, dass dicke Zweige abgeschnitten wurden, dass es veredelte Pflanzen mit unschön verdickten Veredelungsstellen sind und dergleichen mehr.
Da wir bei laubabwerfenden Bäumen aus ästhetischen Gründen kleinblättrige Formen bevorzugen, sollten wir uns möglichst zwischen Mai und Oktober in der Baumschule umsehen, solange die Pflanzen belaubt sind.
Kleine Knospenkunde
Jeder Naturfreund, der die Bäume unterscheiden und benennen möchte, sollte auch die Winterknospen kennen. Im Sommer prägen wir uns die charakteristische Wuchsform, Belaubung und Rindenstruktur ein, im Winter sind wichtige Kennzeichen die Knospen. Ihr Aussehen und ihre Anordnung sind oft typisch und geben uns Auskunft über die Baum- und Strauchart. Wohl die meisten unserer laubtragenden Bonsais werfen ihre Blätter im Herbst ab und zeigen sich immerhin ein halbes Jahr lang von ihrer kahlen Seite. Deshalb ist es nicht abwegig, wenn wir uns auch mit Knospenbildern beschäftigen. Knospen können »gegenständig« sein, wenn sie am Trieb einander gegenüberstehen, oder »wechselständig«, wenn sie am Trieb versetzt angeordnet sind. »Schlafende Augen« sind kaum erkennbare, noch ruhende Knospen an verholzten Trieben, die sich durch starken Rückschnitt der Zweige zum Austrieb anregen lassen.
Sämlinge
Du lobst den Mann, der eine Zeder pflanzt,
obwohl er alt ist und nichts erhofft von ihrem fernen Schatten.
SAINT-EXUPÉRY
Jede Methode zur Gewinnung von Ausgangsmaterial hat ihre Vor- und Nachteile. Gesammelte pflanzen und Stecklinge führen relativ schnell zu einer BonsaiForm. Sämlinge dagegen fordern uns viel Geduld ab, weil sie langsam heranwachsen, doch bieten sie uns mehr Möglichkeiten für gutes schöpferisches Formen.
Der Anfänger braucht zu Beginn ein Erfolgserlebnis, mit Sämlingen hat er daher zunächst wenig im Sinn. Ein aus Samen gezogenes Bäumchen braucht jahrelang, bis es Bonsai-Charakter zeigt. Es gehört aber zur Stärke des erfahrenen BonsaiLiebhabers, sehr lange auf einen Erfolg warten zu können.
Geeignete Pflanzenarten
Zeitliche und räumliche Einengungen setzen der Freizeitbetätigung manche Grenze. Der Bonsai-Freund wird daher abwägen, in welchem Umfang er sein Steckenpferd betreiben will. Säversuche, Stecklingsvermehrung, Pflanzensammeln - dies alles nebeneinander getan, könnte leicht in ernsthafte Arbeit ausarten. Die Samenanzucht würde ich daher auf die Pflanzenarten beschränken, die zur Stecklingsvermehrung ungeeignet und in der Baumschule sehr teuer sind oder die wir trotz eifrigen Suchens im Freiland nicht finden. Von den auf Seite 12 angeführten Arten könnten in Frage kommen die Nadelgehölze Kiefer, Lärche, Wacholder, Zypresse sowie die Laubgehölze Ahorn, Berberitze, Scheinquitte, Ulme und andere.
Inzwischen bieten Bonsai-Fachgeschäfte vielerlei Samen an, soweit wir uns aber mit einheimischen Pflanzen befassen, kostet uns der Samenerwerb nicht mehr als einen Sonntagsspaziergang. Übrigens, Samen, aus denen kleine Bonsais hervorgehen, gibt es nicht. Es sind vielmehr ganz normale Samen, aus denen in der freien Natur stattliche Bäume heranwachsen könnten. Die im Fachhandel angebotenen Samen sind jedoch so sortiert, dass man die Gewähr hat, Pflanzen zu bekommen, die sich auch wirklich zu einem Bonsai erziehen lassen.
Die erste Pflanzenart, von der ich Sämlinge heranzog, war eine Zelkova, eine in China und Japan heimische kleinblättrige Ulmenart. Die etwa 30 Körner, die das Tütchen enthielt, säte ich in eine große Tonschale und hoffte auf einen Wald von aufgehenden Keimlingen. Sechs Wochen später taten mir ganze vier Körner den Gefallen, und weitere zwei Wochen danach drängte ein fünftes Keimpflänzchen ans Licht!
Sämlingsanzucht
Die Pflanzenanzucht aus Samen ist ein heikles Thema, zu dem es jedoch sehr gute Bücher und Anleitungen gibt (siehe Seite 94). Beachten Sie auf jeden Fall die folgenden Hinweise, wenn Ihre Versuche gelingen sollen.
Aussaatzeit
Der günstigste Zeitpunktfür die Aussaat ist der Frühling. Angaben auf dem Samentütchen beachten. Da Samen nur bei gleichmäßiger Wärme und Feuchtigkeit keimen, sollte man im Freien die Eisheiligen (Mitte Mai) abwarten oder die Aussaat im Haus vornehmen.
Vorkeimen
Zum Vorkeimen lässt man die Samen vor dem Aussäen 1- 2 Tage in Wasser quellen die keimfähigen sinken ab, die tauben schwimmen an der Wasseroberfläche. Auf diese Weise kann man unbrauchbare Samenkörner aussortieren und bei dickschaligen die Keimung beschleunigen.
Saatgefäße
Blumentöpfe aus Kunststoff verdunsten weniger Wasser und halten die Erde länger feucht. Sie eignen sich daher recht gut für die Aussaat. Ein 10 cm-Topf hat Platz für 5 - 10 Sämlinge. Als Dränage füllt man zunächst 1 cm hoch Kies (Körnung bis 10 mm) ein, dann 3 cm hoch Sand und darauf TKS 1 oder Bonsai-Erde in gleicher Höhe, doch so, dass ein Gießrand von 1 cm Höhe frei bleibt und man ohne Schwierigkeit wässern kann.